LACDJ Baden-Württemberg

Neue Grundlage für Europa

RACDJ Stuttgart diskutiert Lissabon-Vertrag

Über die Einzelheiten des Lissabon-Vertrags informierten sich die Mitglieder des RACDJ Stuttgart im April 2008 mit einem Vortrag von Dr. Derpa, Grundsatzreferent im baden-württembergischen Staatsministerium.
Ursprünglich hätte es eine Verfassung werden sollen. Mit Hymne, Flagge und zahlreichen Insignien der Staatlichkeit. Begeisterte Europäer sahen am Horizont schon die erträumten Vereinigten Staaten von Europa aufziehen. Skeptiker hingegen glaubten in den Ergebnissen des Europäischen Verfassungskonvents eine ernstliche Gefahr für die Staatlichkeit ihrer Vaterländer zu erblicken. Der gefundene Kompromiss, auch sprachlich vom „Verfassungsvertrag“ zum bloßen „Reformvertrag“ geschrumpft, beschreitet einen typisch europäischen Mittelweg. Er erhält die geplanten Veränderungen des Kompetenz- und Institutionengefüges, verlagert die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik genauso in das Gemeinschaftsrecht wie die europäischen Anteile der Innen- und Justizpolitik und der Reformvertrag verhilft Europa mit seiner Bezugnahme auf die EU-Grundrechtcharta zu einer verbindlichen Sammlung individueller Rechte der Bürger gegenüber der EU. Auf Symbole und Namensgebungen hingegen, die eine beabsichtigte Staatswerdung nahe legen würden, verzichtet der Lissabon-Vertrag.

Über diese und andere Einzelheiten des Lissabon-Vertrags informierten sich die Mitglieder des RACDJ Stuttgart im April während eines Vortrags von Herrn Dr. Derpa. Der Referent, der im baden-württembergischen Staatsministerium europäische Grundsatzfragen bearbeitet, stellte dabei nicht nur die Grundzüge des Vertrags vor, sondern betonte von Anfang an die besondere europapolitische Rolle des Landes. So vertrat Alt-Ministerpräsident Teufel die deutschen Länder im Verfassungskonvent und das Land führt bis heute den Vorsitz im Europaausschuss des Bundesrates. Dieser zentralen Funktion Baden-Württembergs wird seit einigen Jahren auch der Landtag gerecht, der mit seinem Europaausschuss den Querschnittscharakter europapolitischer Arbeit erkennen lässt.

Ob diese zunehmenden Aktivitäten der deutschen Länder und anderer regionaler Körperschaften jedoch auch einen spürbaren Einflussgewinn in Brüssel ermöglichen werden, erscheint noch zweifelhaft. Aus der rein rechtlichen Sicht stärkt der Lissabon-Vertrag das Subsidiaritätsprinzip in der Europäischen Union durch die Einführung eines Frühwarnsystems, das den Ländern über den Bundesrat Widerspruchsmöglichkeiten einräumt. Gleichzeitig werden Klagen der Länder - ebenfalls auf dem Umweg über den Bundesrat – künftig erleichtert werden. Angesichts der offensichtlichen Integrationsfreundlichkeit des EuGH und seiner Formel des „effet utile“ des Gemeinschaftsrechts versprechen rein rechtliche Strategien allerdings kaum mehr Spielraum. Vielmehr dürfte es in Zukunft noch stärker darauf ankommen, bereits frühzeitig und auf informellem Wege die Interessen Deutschlands und Baden-Württembergs in die Brüsseler Beratungen einzuspeisen.